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AutorenbildWolfgang Steigenberger

Wie weit geht die Verantwortung von Unternehmen für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden?







Immer öfter bemerke ich Ratlosigkeit bei meinen Gesprächspartnern in unterschiedlichsten Organisationen: Was können wir noch tun, um die Gesundheit unserer Mitarbeiter zu fördern? Wir bieten doch schon so viel an, und trotzdem verlassen uns viele neue Mitarbeiter bald wieder, während langjährige Mitarbeiter immer öfter krank werden. Die Stimmung ist oberflächlich positiv und optimistisch, aber eigentlich sind fast alle überlastet und müde. Weder zusätzliche Aktivitäten noch neue Angebote werden positiv wahrgenommen. Was tun?


Die Gesundheit von Arbeitnehmenden ist nur zu einem Teil von den Unternehmen beeinflussbar. Es muss allen Beteiligten bewusst sein, dass die persönliche Gesundheit in der Verantwortung jeder einzelnen Person selbst liegt. Wenn ein Mensch raucht, viel trinkt und sich kaum bewegt, bei mir zu arbeiten beginnt und von mir als Arbeitgeber gesundheitsfördernde Maßnahmen verlangt, dann kann ich zwar Maßnahmen anbieten - in Anspruch nehmen und umsetzen muss sie dieser Mensch aber selbst. Als Unternehmen kann ich und sollte ich vor allem ein Umfeld schaffen, das Menschen nicht krank macht, sie nicht schädigt oder belastet und im Idealfall persönlichkeitsgerecht fördert.


Österreich hat bereits einen umfassenden gesetzlichen Rahmen für die Gestaltung von Arbeitsplatzbedingungen. Schwere Arbeitsunfälle sind im Vergleich zu früher deutlich seltener geworden, die Evaluierung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz wurde Pflicht für Unternehmen. Trotzdem steigen die Kosten von Krankenständen für Unternehmen und die Belastung der Mitarbeitenden, die die Arbeit der krank gewordenen Kolleginnen und Kollegen mitmachen müssen, immer mehr an.


2023 erreichten die Krankenstandstage pro unselbstständig Beschäftigten ein neues Allzeithoch: 14,9 Tage im Vergleich zu 12,3 Tagen im Jahr 2022! Trotz Arbeitsplatzevaluierungen zur psychischen Belastung, BGM und unzähligen Maßnahmen der BGF. Viele Unternehmen versuchen, den daraus entstehenden Anforderungen und Belastungen gerecht zu werden, und nicht nur das: Es ist ein Wettbewerb entstanden, in dem sich Unternehmen gegenseitig mit Gesundheitsangeboten überbieten.


Gleichzeitig beobachten wir,


  • dass der Anteil der Untauglichen bei der Stellung vom Geburtsjahrgang 1974 zum Geburtsjahrgang 2004 von 8,9% auf 16,9% gestiegen ist. Die Hauptursachen sind Ernährung/Gewicht und psychische Erkrankungen (Quelle: Statistik Austria)

  • dass laut UNICEF im Europa mittlerweile 16,3% der Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren an psychischen Erkrankungen leiden! In Österreich sind es gar 18,2% - das sind rund 160.000 Kinder und Jugendliche!


Das bedeutet, dass jedes Jahr eine zunehmende Anzahl von bereits gesundheitlich beeinträchtigten Menschen in den Arbeitsmarkt eintritt. Mit dem Eintritt in ein Unternehmen ist nun auch schon eine Erwartung an das Unternehmen verknüpft: Neben einer sinnstiftenden Tätigkeit muss das Unternehmen - und das zeigen mittlerweile zahlreiche Umfragen - ein umfangreiches Angebot zur Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit zur Verfügung stellen. Dieses Angebot wiederum - und das erzählen mir viele HR-Verantwortliche - wird vor allem von jenen Mitarbeitenden angenommen, die ohnehin auf ihre Gesundheit achten.


Unser Gesundheitssystem für Erwachsene setzt vor allem auf Prävention im Arbeitsleben und gleichzeitig auf "Reparatur". Viel zu selten wird darüber gesprochen, dass positive Gesundheit (im Sinne von Martin Seligman) zuvorderst einen hohen Wert in unserer Gesellschaft haben sollte. Ich möchte hier das oft bemühte Beispiel der nordischen Länder anführen. Im Ranking der glücklichsten Länder führt Finnland vor Dänemark, Island und Schweden. Norwegen liegt auf Platz 7. Einer der wichtigsten Bausteine für Gesundheit, Bewegung in der Natur, ist in diesen Ländern Teil der Kultur und wird Kindern schon im Kleinkindalter als Gewohnheit gelehrt.


In Österreich bleibt es bei Lippenbekenntnissen und halbherzigen Versprechen. Wo bleibt die oft versprochene Umsetzung der täglichen Bewegungsstunde in den Schulen, die (oft gelobte und selten wirksam umgesetzte) gesunde Jause und die Unterstützung von Vereinen, die Kindern Freude, Sinn und Selbstbewusstsein durch Sport, Kunst und Wissenschaft vermitteln.


Und so können Unternehmen nur einen kleinen Teil zur Gesundheit ihrer Mitarbeitenden beitragen, frei nach dem Motto: "Wenn du dich nicht selbst bewegen willst, wie soll ich es schaffen, dass du dich bewegst?"


Meine Tipps an Unternehmen:


  • Rekrutiert Mitarbeitende, die euch nachweislich vermitteln können, selbstverantwortlich für ihre Gesundheit sorgen zu können

  • Fragt regelmäßig eure Mitarbeitenden nach ihren Erwartungen, aber gleichzeitig auch, welchen Beitrag sie selbst zu bestimmten Aktivitäten leisten würden und passt das Angebot laufend an. Was heute gut ist, kann morgen schon unpassend sein und keine Akzeptanz mehr finden

  • Bringt die Angebote zu den wirklich Betroffenen und seid kreativ dabei! Freiwillig nehmen vor allem nur jene teil, die ohnehin schon gesund leben...

  • Nützt die zahlreichen Möglichkeiten der digitalen Welt zum Monitoring und zur Entwicklung von Neuem (z.B.: www.moveffect.com)

  • Vermeidet Aktionismus und fühlt euch nicht zu jeder neuen Möglichkeit gedrängt

  • Macht das Thema Gesundheit zu einem strategischen Thema in eurer Organisation

  • Unterstützt Aktionen, die die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen fördern


Nicht umsonst besagt ein altes Sprichwort: "Wer gute Dinge sät, wird gute Dinge ernten".


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