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Ungepflegte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb: Wie Führungskräfte sensibel und wirksam damit umgehen

Einleitung

Es ist ein heikles Thema, über das kaum jemand gerne spricht – und doch ist es für viele Führungskräfte eine Realität: Mitarbeitende, die sich sichtbar nicht (mehr) um ihre persönliche Körperpflege, ihr äußeres Erscheinungsbild oder ihre Kleidung kümmern. Je nach Branche mag dies mal mehr, mal weniger ins Gewicht fallen – doch in allen Fällen stellt es Führungskräfte vor eine unangenehme Aufgabe: den richtigen Umgang mit einem sensiblen Thema zu finden, das schnell entwürdigend wirken kann, aber nicht ignoriert werden darf.


In diesem Artikel beleuchte ich:

  • Warum mangelnde Pflege ein Thema im Unternehmen sein kann

  • Welche Unterschiede je nach Branche bestehen

  • Wie Führungskräfte angemessen reagieren können – mit Fingerspitzengefühl und Klarheit

  • Und warum es dabei nicht nur um Äußerlichkeiten geht



1. Warum überhaupt darüber sprechen?

Ungepflegtes Auftreten kann in Teams und Organisationen vielfältige Reaktionen hervorrufen:

  • Kolleginnen und Kollegen fühlen sich unangenehm berührt oder sprechen es im Flurfunk an

  • Kund:innen nehmen Anstoß oder äußern Beschwerden

  • Die betroffene Person wird sozial isoliert oder stigmatisiert

  • Führungskräfte geraten in eine Zwickmühle zwischen persönlichem Respekt und professioneller Verantwortung


Das Thema ist dabei nicht bloß eine Frage des guten Geschmacks. Es geht auch um:

  • Hygiene im Teamkontext

  • Außenwirkung bei Kunden oder Partnern

  • Zusammenarbeit und Teamgefühl

  • Die Verantwortung der Führungskraft für ein professionelles Arbeitsumfeld


Doch Vorsicht: Nicht jedes ungepflegte Erscheinungsbild ist ein Zeichen von Nachlässigkeit oder Respektlosigkeit. Dahinter können psychische Belastungen, Erkrankungen, kulturelle Unterschiede, finanzielle Probleme oder persönliche Krisen stehen.


2. Unterschiede je nach Branche: Wo wie sensibel?

Der Maßstab für gepflegtes Auftreten ist nicht überall gleich. Es lohnt sich, differenziert hinzuschauen.


2.1 Dienstleistungsbranche mit Kundenkontakt

In Branchen wie:

  • Hotellerie und Gastronomie

  • Banken und Versicherungen

  • Einzelhandel

  • Friseur- und Beautybranche


ist ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild Teil der Berufserwartung. Mitarbeitende repräsentieren das Unternehmen nach außen. Ungepflegtes Auftreten kann hier unmittelbare Auswirkungen auf Kundenzufriedenheit, Image und Umsatz haben.

Führungskräfte müssen hier zügig, aber respektvoll reagieren. Klare Standards, einheitliche Dresscodes und regelmäßige Kommunikation über Erwartungen helfen. Gleichzeitig muss eine persönliche Ansprache sehr sensibel und empathisch geführt werden.


2.2 Industrie, Logistik, Handwerk

In handwerklich-technischen oder produktionsnahen Berufen ist die persönliche Erscheinung weniger mit Kundenerwartung verknüpft – aber Hygiene- und Sicherheitsaspekte spielen eine Rolle:

  • In der Lebensmittelproduktion gelten strenge Sauberkeitsstandards

  • In Werkstätten oder auf Baustellen kann mangelnde Körperhygiene Konflikte im Team auslösen


Führungskräfte sind hier gefragt, zwischen funktionaler Anforderung und menschlicher Achtung zu unterscheiden. Kleidung kann durch die Tätigkeit schnell verschmutzen – das ist etwas anderes als mangelnde Körperpflege.


2.3 Soziale Berufe, Pflege und Gesundheit

Hier sind Hygiene und ein gepflegter Auftritt nicht nur arbeitsrechtlich geregelt, sondern essenziell für das Vertrauen von Klient:innen, Patient:innen und Angehörigen. Der Körperkontakt, die Nähe und die Vorbildfunktion spielen eine zentrale Rolle.


Führungskräfte in sozialen Berufen müssen klare professionelle Standards vertreten und gleichzeitig besonders sensibel mit persönlichen Themen umgehen. Oft ist hier das Gesprächsangebot Teil einer fürsorglichen Haltung, nicht nur einer Führungspflicht.


2.4 Kreativbranchen, Start-ups, IT

In Agenturen, Start-ups oder Techfirmen gelten oft andere Codes: Individualität, Unkonventionalität oder entspannter Umgang mit Kleidung sind Teil der Kultur. Dennoch: Auch hier gibt es Grenzen. Wenn mangelnde Hygiene andere stört oder auffällt, entsteht Handlungsbedarf.


Führungskräfte sollten hier unterscheiden zwischen stilistischer Freiheit und sozialer Rücksichtnahme. Es geht nicht um Uniformität, sondern um Respekt gegenüber dem gemeinsamen Raum.


3. Was bedeutet „gepflegt sein“ überhaupt?

Bevor eine Führungskraft aktiv wird, lohnt sich die Reflexion: Wessen Maßstab lege ich an? Was ist „gepflegt“ – und was ist bloß anders als mein persönlicher Stil?


Einige Orientierungspunkte:

  • Körperpflege (z. B. Geruch, Zähne, Haare, Nägel)

  • Kleidung (z. B. sauber, intakt, situationsangemessen)

  • Auftreten (z. B. Körpersprache, Präsenz)


Hier ist Augenmaß gefragt: Wer bei 35 Grad im Büro in Flip-Flops erscheint, verletzt vielleicht keine Grundregel – wer monatelang mit unangenehmem Körpergeruch auffällt, vermutlich schon.


4. Führung braucht Mut – und Empathie

Wie also umgehen mit der Situation, wenn eine Mitarbeiterin offensichtlich ungepflegt erscheint? Viele Führungskräfte zögern. Und das aus guten Gründen:

  • Es gibt die Sorge, übergriffig zu wirken

  • Es gibt die Angst, das Gegenüber zu kränken oder eine Eskalation herbeizuführen

  • Es ist unklar, ob es sich um ein temporäres Phänomen handelt


Doch Nicht-Handeln ist keine Lösung – vor allem, wenn das Team bereits unzufrieden ist.


Grundprinzipien für das Gespräch:

1. Diskretion: Kein Gespräch zwischen Tür und Angel. Unbedingt unter vier Augen.

2. Respektvolle Sprache: Keine wertenden Aussagen („Du stinkst“) – stattdessen Beobachtungen schildern („Mir ist aufgefallen…“).

3. Ich-Botschaften: Die eigene Wahrnehmung schildern, keine kollektive Meinung („Man sagt…“).

4. Hilfe anbieten: Nachfragen, ob es private Belastungen gibt. Bei Bedarf Unterstützung anbieten (z. B. Sozialberatung, Betriebsarzt).

5. Klarheit nicht vermeiden: Wenn ein Mindestmaß an Pflege erforderlich ist, darf das auch benannt werden. Gerade in Berufen mit Kundenkontakt oder Hygieneanforderung.


5. Praxisbeispiele: Drei Situationen, drei Herangehensweisen


Fall 1: Bankangestellte mit ungepflegten Haaren und Kleidung

Beobachtung: Seit Wochen erscheinen Beschwerden von Kund:innen über das Auftreten einer langjährigen Mitarbeiterin. Kolleginnen meiden zunehmend die Zusammenarbeit.

Vorgehen: Die Führungskraft bittet zum Gespräch, schildert ihre Beobachtung („Ich habe gehört, dass Kund*innen dein Auftreten als ungewöhnlich empfinden – und ich selbst habe es auch wahrgenommen.“), fragt nach Hintergründen. Es stellt sich heraus, dass die Kollegin in einer schwierigen Trennung steckt, sich selbst vernachlässigt hat und ihr der ungepflegte Zustand nicht bewusst war. Die Führungskraft schlägt eine kurzfristige Freistellung vor, bietet eine Unterstützung durch den Betriebspsychologen an und vereinbart eine gemeinsame Rückkehrstrategie.


Fall 2: Lagerarbeiter mit starker Körpergeruchsentwicklung

Beobachtung: Mehrere Mitarbeitende haben sich über den penetranten Körpergeruch des Kollegen beschwert, die Zusammenarbeit fällt schwer und erste Kollegen kündigen an, nicht mehr mit dem Betroffenen zusammenzuarbeiten. Der betroffene Kollege wirkt normal leistungsfähig und freundlich.

Vorgehen: In einem ruhigen, respektvollen Gespräch wird das Thema direkt angesprochen. Der Kollege reagiert erschrocken – ihm selbst war das Problem nicht bewusst. Es stellt sich heraus, dass er aktuell keine Waschmaschine hat. Die Führungskraft unterstützt diskret mit einem Gutschein für eine Wäscherei und einem Hinweis auf weitere Möglichkeiten von Gesprächen und Unterstützung.


Fall 3: Start-up-Entwickler in Jogginghose und fettigem Haar

Beobachtung: Kein Kundenkontakt, aber wachsender Unmut im Team über mangelnde Hygiene und Geruch.

Vorgehen: Die Führungskraft vereinbart ein lockeres 1:1. Sie signalisiert Wertschätzung für die Arbeit, fragt offen nach, ob gerade viel los sei. Erst im zweiten Schritt spricht sie das Thema an: „Mir ist aufgefallen, dass dein Erscheinungsbild sich verändert hat – gibt es etwas, worüber wir sprechen sollten?“ Der Entwickler berichtet von Schlafstörungen und Depression. Die Führungskraft vermittelt einen Kontakt zur psychologischen Beratung und spricht über mögliche Entlastung im Job.


6. Prävention: Wie Führung wirken kann, bevor es zum Problem wird

Gute Führung beginnt nicht erst, wenn es unangenehm wird. Sie schafft einen Rahmen, in dem sensible Themen wie Hygiene, Gesundheit und Selbstfürsorge besprochen werden können.


Was präventiv wirkt:

  • Klare Erwartungshaltungen formulieren: z. B. in Onboardings, Leitfäden, Teamrunden

  • Gesundheitsförderung stärken: Angebote zu Ernährung, Bewegung, Stressbewältigung

  • Lernkultur etablieren: Wer Hilfe braucht, darf sich melden – ohne Stigma

  • Führungstrainings: Umgang mit sensiblen Gesprächen üben


7. Fazit: Zwischen Fürsorge, Führung und Verantwortung

Der Umgang mit ungepflegten Mitarbeiter*innen ist für viele Führungskräfte eine Gratwanderung. Es geht nicht nur um Ästhetik oder Konvention, sondern um den respektvollen Umgang miteinander, die Verantwortung für ein gesundes Arbeitsklima – und oft auch um das Erkennen tieferliegender Probleme.


Der Schlüssel liegt in einem Führungsstil, der Mut mit Menschlichkeit verbindet:

  • Wahrnehmen, nicht wegsehen

  • Rasch handeln, nicht warten, bis das Problem fast unlösbar wird

  • Ansprechen, nicht anschweigen

  • Zuhören, nicht urteilen

  • Unterstützen, aber auch Anforderungen klar machen


Denn letztlich geht es nicht darum, Menschen zu ändern – sondern Bedingungen zu schaffen, in denen sie wieder in ihre Kraft kommen können. Und letztendlich auch alle anderen Menschen in der Organisation zu entlasten!


Checkliste für Führungskräfte:


Bevor Sie das Gespräch suchen:

  • Ist das Thema einmalig oder wiederholt aufgetreten?

  • Gibt es Beschwerden im Team oder von Kunden?

  • Besteht ein Zusammenhang mit Leistung oder Verhalten?

  • Gibt es Hinweise auf persönliche Belastungen?

Im Gespräch:

  • Neutral bleiben und beobachten

  • Ich-Botschaften verwenden

  • Verständnis zeigen

  • Unterstützung anbieten

  • Klar kommunizieren, was erwartet wird

Nach dem Gespräch:

  • Vereinbarungen festhalten

  • Veränderung beobachten

  • Gespräch ggf. nach 2–3 Wochen wiederholen

  • HR oder Beratungsdienste einschalten, wenn nötig

 
 
 

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