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Das Feedback-Dilemma: Zwischen Entwicklungschance und Identitätsbedrohung

Executive Summary

Feedback ist ein zentrales, aber oft unterschätztes Entwicklungsinstrument. Es fällt schwer, weil es unser Selbstbild berührt, Beziehungen beeinflusst und häufig negativ erlebt wurde. Studien zeigen: Feedback wirkt nur, wenn es vertrauensvoll, konkret und im richtigen Kontext gegeben wird.


Wesentliche Erkenntnisse im Überblick:

  • Feedback kann Leistung verbessern – oder verschlechtern (Kluger & DeNisi).

  • Psychologische Sicherheit ist der Schlüssel zu erfolgreichem Feedback (Google „Project Aristotle“).

  • Der Umgang mit Feedback hängt stark von Beziehung, Absicht und Haltung ab.


Empfehlungen:

  • Geben: klar, zeitnah, konkret – mit Entwicklungsabsicht und im Dialog.

  • Nehmen: als Perspektive begreifen, nicht als Urteil – und aktiv danach fragen.


Fazit: Gute Feedbackkultur beginnt bei der Haltung jeder einzelnen Person – und entfaltet dort ihre stärkste Wirkung, wo Vertrauen und Lernbereitschaft aufeinandertreffen.


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Warum wir uns mit Feedback geben und nehmen so schwer tun – und wie es besser geht

Feedback ist das vielleicht mächtigste Werkzeug für persönliche Entwicklung, Teamdynamik und Organisationserfolg – und gleichzeitig eines der unbeliebtesten. Kaum ein Wort löst in Meetings, Mitarbeitergesprächen oder Führungskräftetrainings so gemischte Reaktionen aus wie „Feedback“. Und das hat Gründe.

In diesem Artikel beleuchten wir, warum das Geben und Nehmen von Feedback so herausfordernd ist, was aktuelle Studien dazu sagen – und was wir konkret tun können, damit Feedback wirklich wirkt.

Teil 1: Warum Feedback so schwerfällt

1. Feedback berührt unsere Identität

Feedback ist nie nur eine sachliche Rückmeldung. Es ist immer auch ein Spiegel, der uns zeigt, wie andere uns wahrnehmen – und das geht direkt ans Selbstbild.

Der Psychologe Adam Grant bringt es auf den Punkt: „Feedback ist Identitätsarbeit.“ Besonders kritisches Feedback wird häufig nicht als Hilfe, sondern als Angriff empfunden – selbst wenn es gut gemeint ist.


Eine Studie der Universität Harvard (Stone & Heen, 2014) zeigt, dass Menschen auf Feedback mit drei typischen Abwehrreaktionen reagieren:

  • Wahrheits-Trigger (das stimmt doch nicht!)

  • Beziehungs-Trigger (von DER Person lasse ich mir nichts sagen!)

  • Identitäts-Trigger (das verletzt mein Selbstbild!)


2. Die Angst, andere zu verletzen

Auch das Geben von Feedback ist schwierig. Viele Menschen fürchten, ihr Gegenüber zu kränken, die Beziehung zu belasten oder einfach nicht die „richtigen Worte“ zu finden. Also schweigt man lieber. Laut einer Studie von Zenger/Folkman (2020) geben 69 % der Führungskräfte an, dass sie sich unwohl fühlen, wenn sie kritisches Feedback geben sollen.


3. Schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit

Wer schon einmal öffentlich bloßgestellt, abgewertet oder überrumpelt wurde, entwickelt eine negative Erwartungshaltung. Feedback wird dann nicht mehr als Entwicklungschance gesehen, sondern als Bedrohung.

Die Angst vor Feedback erzeugt einen Teufelskreis: Weil es selten geübt wird, wird es selten gut gemacht. Und weil es selten gut gemacht wird, will es niemand mehr hören.

Teil 2: Was Studien über effektives Feedback sagen

1. Feedback wirkt – aber nur unter bestimmten Bedingungen

Eine Meta-Analyse von Kluger und DeNisi (1996), die über 600 Feedback-Studien ausgewertet hat, kommt zu einem überraschenden Ergebnis: Feedback verbessert die Leistung nur in 38 % der Fälle – in 38 % verschlechtert sich die Leistung sogar.

Warum? Weil Feedback oft zu allgemein, zu hart, zu unklar oder zu wenig anschlussfähig ist.


2. Die Bedeutung von psychologischer Sicherheit

Teams mit hoher psychologischer Sicherheit – einem Klima, in dem man sich ohne Angst äußern kann – gehen konstruktiver mit Feedback um.

Das belegt die berühmte Google-Studie „Project Aristotle“: Nicht Intelligenz, nicht Erfahrung, sondern psychologische Sicherheit war der wichtigste Prädiktor für Hochleistungsteams.


3. Wer gibt das Feedback – und wie?

Feedback ist keine neutrale Botschaft. Es ist hochgradig abhängig vom Sender. Die Glaubwürdigkeit, der Status, die Beziehung und die Absicht des Feedback-Gebenden beeinflussen, ob Feedback angenommen wird oder nicht.

„Menschen nehmen Feedback an, wenn sie spüren, dass es um Entwicklung geht – nicht um Bewertung.“ (Carol Dweck, Stanford-Professorin und bekannt für ihre Arbeiten zum Growth Mindset)

Teil 3: Was wir beim Feedback-GEBEN beachten sollten

1. Feedback ist Beziehungspflege

Feedback funktioniert nur auf Basis von Vertrauen. Wer nur dann Rückmeldung gibt, wenn etwas schiefläuft, wird nicht als konstruktiv, sondern als kontrollierend erlebt. Feedback braucht ein gutes Verhältnis – und echte Entwicklungsabsicht.


Tipp: Bevor du Feedback gibst, frage dich:

  • Habe ich eine stabile Beziehung zur Person?

  • Weiß sie, dass ich ihr helfen will – oder wirkt es wie Machtspiel oder Kritik?


2. Das richtige Setting wählen

Öffentliches Feedback – egal ob lobend oder kritisch – kann schnell unangenehm wirken. Gute Feedbackgeber achten auf Rahmenbedingungen: neutraler Raum, genügend Zeit, keine Ablenkung.


Empfehlung:

  • Zeitpunkt: Möglichst nah am beobachteten Verhalten, aber mit emotionalem Abstand.

  • Ort: Ruhig, vertraulich, ohne Publikum.

  • Ziel: Entwicklung, nicht Bewertung.


3. Die Feedback-Formel: Beobachtung – Wirkung – Wunsch

Gutes Feedback ist klar, konkret und anschlussfähig.


Beispiel:

„In der Besprechung heute hast du dreimal das Wort übernommen, obwohl andere noch nicht fertig waren (Beobachtung). Ich hatte den Eindruck, dass dadurch manche sich nicht mehr eingebracht haben (Wirkung). Ich wünsche mir, dass du in Zukunft mehr darauf achtest, wann andere sprechen möchten (Wunsch).“

Statt: „Du bist immer so dominant in Meetings.“


4. Feedback als Dialog, nicht als Monolog

Feedback sollte immer die Möglichkeit zur Reflexion und zum Austausch bieten. Wer Feedback „verkündet“, schafft Widerstand. Wer es als Gespräch versteht, öffnet Entwicklung.

Teil 4: Was wir beim Feedback-NEHMEN beachten sollten

1. Feedback ist ein Angebot – kein Urteil

Wir können Feedback nicht kontrollieren, aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen. Feedback ist nicht „die Wahrheit“, sondern eine Wahrnehmung. Wer das versteht, kann Feedback besser einordnen – und nutzen.


Mentale Haltung:

  • „Interessant, dass du das so siehst.“

  • „Was kann ich daraus lernen?“

  • „Was sagt das über mich – und was über dich?“


2. Trigger erkennen – und entschärfen

Erkenne deine persönlichen „Feedback-Trigger“:

  • Fühlst du dich ungerecht behandelt (Wahrheits-Trigger)?

  • Ist dir die Person unsympathisch (Beziehungs-Trigger)?

  • Fühlst du dich persönlich getroffen (Identitäts-Trigger)?


Strategie:

  • Erst atmen, dann hören, dann fragen.

  • Feedback aufnehmen – aber nicht sofort reagieren.

  • Rückfragen stellen, z. B. „Wie hast du das konkret erlebt?“ oder „Was hättest du dir gewünscht?“


3. Sei ein aktiver Feedbacknehmer

Wer um Feedback bittet, zeigt Reife und Lernbereitschaft. Und: Menschen geben dann auch eher konstruktives Feedback.


Konkrete Fragen zum Einholen von Feedback:

  • „Was hätte ich in dem Projekt besser machen können?“

  • „Gab es einen Moment, in dem ich dich irritiert habe?“

  • „Wo siehst du meine blinden Flecken?“

Teil 5: Feedbackkultur entwickeln – im Team und in der Organisation

1. Vom Event zur Routine

Viele Unternehmen machen Feedback zu einem Jahresritual („Mitarbeitergespräch“) – und wundern sich, warum es nicht wirkt. Feedback muss Teil des Alltags werden, nicht Ausnahmezustand.


Beispiel:

  • Regelmäßige „Feedback-Friday“-Runden

  • 2-Minuten-Feedback nach Meetings

  • Check-ins mit Reflexionsfragen („Was lief gut? Was könnten wir nächstes Mal anders machen?“)


2. Führungskräfte als Vorbilder

Nur wenn Führungskräfte Feedback aktiv einholen, konstruktiv geben und offen annehmen, entsteht eine echte Feedbackkultur. Laut Gallup (2023) ist die Feedbackbereitschaft von Mitarbeitenden doppelt so hoch, wenn ihre Führungskraft selbst regelmäßig Feedback einholt und positiv darauf reagiert.


3. Mut zu echtem Feedback

Viele Feedbackschulungen fokussieren auf Formulierungen („Ich-Botschaften“, „Sandwich-Technik“). Doch viel wichtiger ist der Mut zur Wahrhaftigkeit. Gutes Feedback ist ehrlich – auch wenn es unbequem ist.


Das heißt NICHT: Rücksichtslosigkeit oder emotionale Entladung.


Sondern: Klarheit mit Respekt. Wahrheit mit Beziehung.

Fazit: Feedback braucht Haltung, Übung – und Vertrauen

Feedback ist kein „Tool“, das man einmal lernt und dann perfekt beherrscht. Es ist eine Haltung. Und es ist Arbeit – an sich selbst, an Beziehungen, an der Kultur.

Wir tun uns schwer mit Feedback, weil es so viel mit unserem Selbstwert, unserer Geschichte und unseren Beziehungen zu tun hat. Aber gerade deshalb ist Feedback so wertvoll – wenn es gut gemacht wird.


Praktische Empfehlungen – auf einen Blick

Für Feedbackgeber:

  • Entwickle echtes Interesse an der Entwicklung deines Gegenübers

  • Gib Feedback möglichst konkret, zeitnah und im passenden Rahmen

  • Verwende die Formel: Beobachtung – Wirkung – Wunsch

  • Führe Feedback als Gespräch, nicht als Vortrag

  • Übe dich in Klarheit – ohne Urteil


Für Feedbacknehmer:

  • Verstehe Feedback als Wahrnehmung, nicht als Wahrheit

  • Achte auf deine Trigger – und bleibe neugierig

  • Frage gezielt nach Feedback

  • Bedanke dich – auch wenn du es nicht sofort umsetzt

  • Nutze Feedback als Spiegel für deine Entwicklung


Letzte Gedanken

Eine gute Feedbackkultur ist kein Feelgood-Programm. Sie ist ein Wettbewerbsvorteil. Sie ist das Fundament für Lernen, Entwicklung, Zusammenarbeit und Innovation. Und sie beginnt bei jedem Einzelnen.


Feedback ist keine Pflicht – sondern eine Einladung zur Weiterentwicklung. Wer sie annimmt, gewinnt.

 
 
 

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