Coaching für Entscheider: Warum klassische Formate an der Spitze scheitern
- Wolfgang Steigenberger
- 16. Juli
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Juli
Executive Summary
CEO-Coaching folgt anderen Regeln als klassisches Business-Coaching: Es ist schneller, direkter, strategischer – und oft weit entfernt vom methodischen Fragenstellen. An der Spitze geht es nicht nur um persönliche Entwicklung, sondern um Navigieren in Machtfeldern, um Verantwortung, Einsamkeit und unternehmerische Wirkung.
CEOs brauchen keinen Coach im klassischen Sinne, sondern einen Sparringspartner auf Augenhöhe, der:
Strategisch denkt
Widerspruch bietet
Diskret agiert
Unternehmenskontexte versteht
In kritischen Situationen – bei Transformation, Nachfolge, Machtfragen – wird der Coach dabei zur Schlüsselfigur im Hintergrund: ein moderner Consigliere. Loyal, klar, unbequem und mit einem Blick für das Ganze.
Das klassische Coachingmodell reicht hier nicht mehr aus. Es braucht ein neues Verständnis von Begleitung auf Top-Level – zwischen Reflexion, Verantwortung und Wirkung.

Einleitung
Coaching ist längst mehr als ein Karriere-Beschleuniger für Führungskräfte. In den letzten Jahren hat sich insbesondere das CEO-Coaching zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt – mit eigenen Regeln, klaren Erwartungen und einem sehr spezifischen Kontext. Dabei taucht immer häufiger ein Begriff auf, der in klassischen Coaching-Settings seltener zu finden ist: Sparring.
Doch was genau unterscheidet CEO-Coaching vom klassischen Coaching? Welche Rolle spielt Sparring in der Zusammenarbeit mit Top-Führungskräften? Und was müssen Coaches mitbringen, um auf Augenhöhe mit einem CEO arbeiten zu können?
Dieser Artikel beleuchtet die zentralen Unterschiede, Erwartungen und Erfolgsfaktoren – und erklärt, warum sich CEO Coaching nicht einfach „auf der nächsten Karrierestufe“ fortsetzt, sondern oft einem grundlegend anderen Ansatz folgt.
1. Die besondere Rolle des CEO – und was das für Coaching bedeutet
CEOs befinden sich in einem komplexen, oft widersprüchlichen Spannungsfeld: zwischen Shareholdern und Stakeholdern, strategischer Zukunftsgestaltung und operativem Druck, interner Kultur und externer Erwartung. Diese Rolle bringt nicht nur enorme Verantwortung mit sich, sondern auch eine strukturelle Einsamkeit: Je höher die Position, desto weniger ehrliches Feedback kommt an.
Für das Coaching bedeutet das:
Es geht nicht nur um Zielklärung und Entwicklung, sondern oft um Reflexion, Korrektiv und Standortbestimmung.
Das Coaching wird zur Vertrauensoase in einem Umfeld ständiger Bewertung.
Vertrauen, Diskretion und Geschwindigkeit zählen mehr als strukturierte Prozesse und Formate.
2. Was klassisches Coaching auszeichnet
Klassisches Business Coaching folgt in der Regel einem strukturierten, klientenzentrierten Ansatz:
Zielklärung zu Beginn
Einsatz methodischer Werkzeuge (z. B. systemisches Fragen, Wertearbeit, Skalierungen)
Fokus auf Ressourcenaktivierung und Selbststeuerung
Coach ist prozessorientierter Begleiter, nicht Ratgeber
Der klassische Coach hält sich zurück, stellt kluge Fragen, verzichtet auf Bewertungen und bietet keine Lösungen an. Ziel ist es, die Selbstwirksamkeit der Klientin oder des Klienten zu stärken.
Dieser Ansatz funktioniert gut – bis zu einer gewissen Flughöhe.
3. Wenn klassisches Coaching an Grenzen stößt
Im Kontext von CEOs und C-Level-Führungskräften stößt das klassische Coaching-Modell an drei wesentliche Grenzen:
1. Zeit: CEOs denken oft in kürzeren Zyklen, zum Beispiel Quartalen. Sie brauchen schnelle Reflexionsräume, keine langwierigen Coachingprozesse.
2. Expertise: Viele CEOs erwarten, dass ihr Gegenüber nicht nur Fragen stellt, sondern auch unternehmerisches Verständnis und systemische Zusammenhänge erkennt. „Sag mir ruhig auch mal, was du wirklich denkst“ ist eine häufige Erwartung.
3. Einsamkeit: CEOs erleben oft keine ehrliche Rückmeldung – weder vom Vorstand, noch vom Aufsichtsrat und selten vom Team. Manchmal sehen sie ihre Frage nach Rückmeldung in ihrem Umfeld als ein Zeichen von Schwäche. Ein rein zurückhaltender Coach wird dann nicht als hilfreich wahrgenommen, sondern als passiv.
4. CEO Coaching ist eher Sparring als klassisches Coaching
Der Begriff Sparring kommt aus dem Kampfsport. Zwei Gegner treten an, nicht um sich zu besiegen, sondern um sich gegenseitig herauszufordern und weiterzuentwickeln. Übertragen auf das Coaching bedeutet das:
Ein CEO-Sparringspartner denkt mit, stellt sich quer, bringt Ideen ein, fordert – und bleibt dennoch loyal.
Typische Merkmale:
Dialog auf Augenhöhe
Fachliche und strategische Tiefe auf Seiten des Sparringspartners
Klarer Standpunkt statt Neutralität - oder auch mehrere unterschiedliche Perspektiven
Kombination aus Coaching, Beratung und Reflexion
Hohe individuelle Taktung, oft ohne fixen Prozess
5. Der Rollenwandel: Vom Coach zum Sparringspartner
In der Zusammenarbeit mit CEOs wird der Coach oft mehr:
Co-Co-Creator: gemeinsam Szenarien und Strategien durchdenken
Sounding Board: Ideen testen, ohne politische Risiken
Kritischer Spiegel: blinde Flecken aufzeigen
Vertraulicher Begleiter: gerade in Umbruchphasen (Transformation, M&A, Nachfolge)
Wichtig ist dabei: Die Grenze zur reinen Beratung darf nicht überschritten werden. Ein guter Sparringspartner macht Vorschläge, aber entscheidet nicht. Er bietet Orientierung, ohne die Verantwortung zu übernehmen.
6. Typische Themen im CEO Coaching & Sparring
Während sich klassisches Coaching häufig mit Führungskompetenz, Kommunikation, oder Work-Life-Balance beschäftigt, sind die Themen im CEO-Kontext deutlich strategischer und existenzieller:
7. Voraussetzungen für wirksames CEO Coaching & Sparring
1. Erfahrung auf Augenhöhe: Ein CEO akzeptiert niemanden als Sparringspartner, der nicht selbst über relevante unternehmerische oder systemische Erfahrung verfügt.
2. Absolute Vertraulichkeit: Was im Sparring gesagt wird, bleibt unter vier Augen. Vertrauen ist die Währung.
3. Breites Business-Verständnis: Der Sparringspartner muss Märkte, Strategien, Prozesse und politische Dynamiken verstehen – nicht nur Coaching-Tools.
4. Persönliche Reife: Ein CEO erwartet keine Bewunderung, sondern Widerstand – und zwar respektvoll, auf den Punkt, integer.
5. Flexibilität im Format: Statt fixen Terminen lieber ad-hoc-Sessions, statt monatelanger Begleitung punktuelle Deep-Dives. CEOs brauchen einen flexiblen, erreichbaren Sparringspartner, nicht einen Kalender-Coach.
8. Zwischen Beratung, Coaching und Mentoring
CEOs erwarten oft mehrdimensionalen Support – das macht die Arbeit so anspruchsvoll und so spannend.
Gute Sparringspartner können zwischen verschiedenen Rollen wechseln:
Coach: Zuhörer, Fragensteller, Entwicklungshelfer
Berater: Anbieter von Modellen, Frameworks und Hypothesen
Mentor: Erfahrungsgeber, Ermutiger, Strategischer Denker
Die Kunst liegt darin, situativ den passenden Modus zu wählen, ohne beliebig zu werden. Klarheit über die jeweilige Rolle ist dabei essenziell – für beide Seiten.
9. Konkrete Regeln für die Zusammenarbeit
Damit CEO Coaching & Sparring gelingt, braucht es klare Spielregeln:
Vertraulichkeit – nichts dringt nach außen, auch nicht gegenüber HR oder Aufsichtsrat.
Rahmen klären – Ziele, Rollenverständnis, Taktung, Erreichbarkeit.
Kontextverständnis – systemisches Briefing zu Organisation, Branche, Kultur.
Verfügbarkeit klären – CEOs wollen oft spontan sprechen können.
Feedbackkultur etablieren – wie geben wir uns gegenseitig Rückmeldung über die Qualität der Zusammenarbeit?
10. Grenzen und Risiken
CEO Coaching ist anspruchsvoll – und nicht ohne Fallstricke:
Co-Abhängigkeit: Wenn der Coach zum „Vertrauten für alles“ wird, fehlt Distanz.
Beratungsfalle: Zu viel Input kann entmündigend wirken.
Blind Spots: Wer sich zu sehr mit dem CEO identifiziert, übersieht Warnsignale.
Unklare Rollen: Wenn der Coach unklar kommuniziert, was er bietet (und was nicht), entstehen Missverständnisse.
Ein guter CEO-Coach kennt diese Fallstricke – und arbeitet aktiv daran, sie zu vermeiden.
11. Fazit: CEO Coaching & Sparring ist eine eigene Disziplin
Coaching für CEOs ist kein „bisschen mehr“ klassisches Coaching, sondern ein fundamental anderes Setting mit eigenen Spielregeln, Erwartungen und Erfolgsfaktoren.
Die Rolle des Sparringspartners ist dabei zentral: reflektiert, erfahren, strategisch denkend, integer – und mutig genug, auch mal unbequem zu sein.
Wer als Coach auf diesem Niveau arbeiten will, braucht:
Exzellente Coaching-Kompetenz
Unternehmerisches Denken
Systemisches Verständnis
Persönliche Souveränität
Nur dann kann Coaching auf C-Level wirklich das leisten, was es verspricht: Wirksamkeit, Reflexion und Entwicklung – für Menschen, die ganz oben stehen und doch manchmal ganz allein.
12. Und manchmal ist der Coach eine Art Consigliere
In bestimmten Phasen – besonders bei Machtfragen, kritischen Personalentscheidungen oder heiklen politischen Konstellationen – nimmt der CEO-Coach eine besondere Rolle ein: die des Consigliere.
Der Begriff stammt ursprünglich aus dem italienischen Sprachraum und bezeichnet einen engsten Berater, der im Hintergrund wirkt, dessen Loyalität außer Frage steht und der über tiefes strategisches, politisches und psychologisches Verständnis verfügt.
In dieser Rolle:
kennt der Coach das Machtgefüge der Organisation genau,
hilft bei strategischer Kommunikation und Positionierung, ohne selbst im Rampenlicht zu stehen,
unterstützt beim Navigieren durch komplexe Beziehungs- und Interessenslagen,
und bleibt dabei stets unabhängig, verschwiegen und integer.
Diese Art von Begleitung setzt eine außergewöhnlich hohe Vertrauensbasis voraus – und ein klares Rollenverständnis: Der Consigliere ist kein Jasager, sondern ein Wahrheitsgeber. Kein Schattenlenker, sondern ein realistischer Perspektivgeber mit Rückgrat.
In dieser Funktion wird der Coach zur strategischen Instanz – nicht im Sinne von Macht, sondern im Dienst der Klarheit.
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